«Ich arbeite gerne in der Nacht, weil es ruhiger ist als tagsüber und man auch mal Zeit für ein Schwätzchen hat»
Sicher durch die Nacht mit dem Chur Bus
Wer spät mit dem öffentlichen Verkehr in Chur und Umgebung unterwegs ist, kennt sie – unsere Nachtbusse. Täglich und besonders an Wochenenden, Feiertagen und nach Veranstaltungen bringen sie die Fahrgäste sicher an ihr Ziel. Wir haben einen Busfahrer auf einer Nachtschicht begleitet.


Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, als Teo Girisken an diesem Frühlingstag kurz vor 17 Uhr seinen Nachtdienst antritt. An der Haltestelle Chur, City West übernimmt er seinen Bus von einem Kollegen, der Dienstschluss hat. Die Übergabe geht rasch und professionell über die Bühne. Giriskens Kollege sagt, dass zwar eine Warnung über zu wenig Kühlwasser am Armaturenbrett aufleuchte, dass das Problem aber nicht lokalisiert werden konnte. Über Funk fordert Girisken einen Techniker an, der das Kühlwasser bei einem Halt am Bahnhof noch einmal überprüfen soll. Dann fährt er los.
Es ist Feierabendzeit an diesem Freitag und der Bus füllt sich schnell mit Menschen, die nach getaner Arbeit auf dem Heimweg sind. Nach Ankunft am Bahnhof stehen zwei Runden als Linie 5 auf dem Dienstplan für den Abend, danach folgt eine Runde als Linie 6, bevor Girisken den Bus ins Depot fährt, um dort einen Gelenkbus für die Nachtfahrten zu übernehmen.
Ein Hamburger in Chur
Busse fährt Teo Girisken schon seit weit über 20 Jahren. «Ich bin in Hamburg aufgewachsen», erzählt er, «und mein Vater war dort schon Busfahrer.» Nach verschiedenen Tätigkeiten beim Bodenpersonal des Hamburger Flughafens folgte er seinem Vater und wurde ebenfalls Busfahrer in Hamburg. Auch dort fuhr er vorwiegend in der Nacht. «Ich arbeite gerne in der Nacht, weil es ruhiger ist als tagsüber und man auch mal Zeit für ein Schwätzchen hat», sagt Girisken.
Doch das Busfahrerleben ist nicht immer nur angenehm. Einmal sei er in Hamburg bedroht worden und als ein Kollege bei seiner Arbeit überfallen und schwer verletzt wurde, wollte er weg aus der Grossstadt und bewarb sich in der Schweiz. Nach 14 Jahren ist Chur seine Heimat. Er ist verheiratet mit einer Churerin und hat zwei Kinder. Ob die Familie denn nicht zu kurz komme, wenn er immer in der Nacht arbeite, wird er oft gefragt. Die Antwort ist ein klares Nein. «Ich verschlafe nicht den ganzen Tag», erzählt Girisken, «meistens bin ich gegen 9 Uhr auf». Oft zieht es ihn dann in die Küche. Das Kochen sei für ihn mehr als nur ein Ausgleich. So kommt es vor, dass er nach einer langen Nacht trotzdem am Herd steht, um für seine Frau und die Kinder das Mittagessen vorzubereiten – ein Moment der Normalität und des Zusammenseins, den die Familie sehr schätzt.
Freundlich und hilfsbereit
Das erzählt Teo Girisken während einer kurzen Kaffeepause im Depot. Nach 20 Minuten geht es weiter mit einem Gelenkbus, den er an der Haltestelle Kalchbühl von einem Kollegen übernimmt. Nun steht die Strecke ab Bahnhof Chur bis Tamins Unterdorf als Linie 10 auf dem Giriskens Dienstplan. Bis kurz vor Mitternacht absolviert er diese Strecke sechs Mal. Viele seiner Fahrgäste kennt er, fragt sie nach dem Befinden der Familie oder erlaubt sich ein Spässchen mit ihnen. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft Giriskens zeigt sich auch gegen 22 Uhr, als an der Haltestelle bei der Abzweigung nach Felsberg eine Velofahrerin mit herausgesprungener Kette steht. Girisken hält und fragt, ob sie Hilfe brauche. Sie verneint und er fährt weiter Richtung Tamins.
Eine der letzten Gäste auf dieser Strecke ist eine Frau «die jeder Busfahrer kennt», wie Girisken erzählt. Sie fahre jeden Abend mit dem letzten Bus nach Ems, spreche aber mit niemandem. Er habe sich schon oft gefragt, wo und was die Frau arbeite, aber er konnte sie noch nie in ein Gespräch verwickeln. Antworten auf seine Fragen wird er wohl nie bekommen.

Je später der Abend…
Kurz nach Mitternacht ist es Zeit für eine längere Pause. Davor steht noch ein Buswechsel im Depot an. Die Frontscheibe des Gelenkbusses ist auf den Fahrten etwas schmutzig geworden und muss gereinigt werden. Danach übernimmt Girisken wieder einen kleineren Bus. Mit diesem wird er nach der Essenspause von gut einer Stunde seine letzten Fahrten nach Landquart und zurück absolvieren. Zu dieser späten Stunde werden die Busse von einem Sicherheitsperson begleitet, denn je später der Abend ist, desto schwieriger können die Fahrgäste sein. Da komme es schon vor, dass ein Betrunkener Fahrgäste oder den Busfahrer anpöble. Die Mitarbeitenden der Security können dann für Ordnung sorgen.
Auch dazu kann Teo Girisken eine Geschichte aus seiner über 20-jährigen Erfahrung erzählen. Einmal sei ein betrunkener Gast auf der Fahrt eingeschlafen und er habe ihn nicht mehr aufwecken können. Alle seine Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt, schliesslich musste Girisken die Polizei rufen, denn er dürfe die Gäste nicht anfassen. «Die Polizei hat den Betrunkenen dann unsanft geweckt und mitgenommen», sagt Girisken. Für ihn habe das Überstunden bedeutet.
Doch in dieser Nacht sind alle Gäste gesittet und somit hat Girisken pünktlich – nach elf Stunden Präsenzzeit– um vier Uhr morgens Feierabend. Zufrieden, dass die Nacht ohne Panne am Fahrzeug und ohne einen Vorfall über die Bühne gegangen ist.